Bayerische Baustoffrecycler kritisieren Zurückhaltung der öffentlichen Hand
Ingolstadt. Im Audi Sportpark, dem Heimstadion des 2. Bundesligisten FC Ingolstadt konnte Matthias Moosleitner, Präsident des Baustoffrecycling Bayern e.V., das diesjährige Baustoff Recycling Forum, am 7. Mai 2019, eröffnen. Die Veranstaltung traf auf eine durchweg positive Resonanz der mehr als 150 Teilnehmer, die die interessanten Vorträge und den außergewöhnlichen Veranstaltungsort lobten.
Moosleitner: "Wir müssen die drei Entsorgungswege Recycling, Verfüllung und Deponie als Einheit sehen, als Wege, die sich ergänzen und wie Zahnräder ineinandergreifen müssen. Nur wenn das gelingt, werden wir auch in Zukunft alle unsere Bau- und Abbruchabfälle zuverlässig und zu vertretbaren Kosten entsorgen und langfristig die Entsorgungssicherheit gewährleisten können."
Zentrales Problem der Branche, so Moosleitner in seiner Begrüßungsrede, sei jedoch, dass die Nachfrage nach Recyclingbaustoffen nach wie vor geringer sei als das Angebot. In einer Umfrage, die der bvse in diesem Jahr durchgeführt hat, wurde dies besonders deutlich: Beim RC-Beton sagen 43 % der Unternehmen, Ihr An-gebot ist höher als die Nachfrage, beim RC-Asphalt sind es bereits 58 % und beim RC-Mix sind es sogar 77 %.
Auffällig sei, so Moosleitner, dass die Nachfrage der öffentlichen Hand immer noch vollkommen unzureichend sei. 91 % der Recyclingbetriebe haben in der Umfrage angegeben, dass ihre Kunden vorwiegend private und gewerbliche Bauherren seien. Moosleitner: "Mit der Vorbildfunktion der Öffentlichen Hand hat der Gesetzgeber etwas ganz anderes bezwecken wollen. Unsere Erfahrungen in der täglichen Praxis der Unternehmen ist es, dass gerade bei Öffentlichen Ausschreibungen qualitätsgesicherte Recyclingmaterialien nach wie vor regelmäßig ausgeschlossen werden. Produktneutralität, Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Öffentlichen Bau – politisch allerorts propagiert, aber die Umsetzung in die Praxis erfolgt nicht."
Das hat nach Meinung der Branche auch Auswirkungen auf die Deponiesituation in Bayern. Schon jetzt fehlten Verfüll- und Deponiekapazitäten. Das spiegelt sich auch in den Marktpreisen wider: die Kosten für die Verfüllung in Gruben, Brüchen und Tagebauen als auch für die Deponierung sind in den letzten 12 Monaten weiter gestiegen. Und auch die Transportentfernungen steigen an, hob Moosleitner hervor: "Können Z 0-Materialien noch im Nahbereich – bis 25 km – entsorgt werden, fahren wir Z 1.1, Z 1.2 sowie DK 0 und DK I-Material bereits bis 50 und 100 km oder auch mehr."
Keine Entwarnung konnte Dirk Hensel-Schikora vom bayerischen Umweltministerium geben. Zwar befinde sich die Fortschreibung der Deponiebedarfsprognose Bayern noch in der Endabstimmung, aber es zeichne sich ab, dass Deponien auch in Zukunft unverzichtbar sein werden. Deshalb sollen vom Landesamt für Umwelt (LfU) neue Hinweise und Vollzugshilfen für die Standortsuche von Deponien und für die Umwidmung von Verfüllungen in Deponien erarbeitet werden. Bayern setzt massiv auf Information, Aus- und Fortbildung aller Beteiligten (Politik, Kommunalverwaltungen, Behörden, Unternehmen, Öffentlichkeit), um mehr Akzeptanz für Verfüllung (> Z 0) und für Deponien zu bekommen, unterstrich Dirk Hensel-Schikora in seinem Vortrag.
In diesem Zusammenhang bedauerte Stefan Schmidmeyer, Geschäftsführer des Baustoffrecycling Bayern e.V., dass derzeit wenig Hoffnung bestehe, dass die Bundesmantelverordnung verabschiedet werde. Aus diesem Grunde plädierte Schmidmeyer dafür, zumindest den bayerischen RC-Leitfaden "Anforderung an die Verwertung von Recycling-Baustoffen in technischen Bauwerken" nicht nur in einigen Punkten zu konkretisieren und anzupassen, sondern umfangreich fortzuschreiben.
Insbesondere sollten in den RC-Leitfaden auch andere Anwendungsbereiche z. B. Bauprodukte, Garten- und Landschaftsbauanwendungen, Verwendung von Bodenmaterial in technischen Bauwerken usw. mit eingebunden werden.
Die Baustoffrecycling-Branche weitet ihre Aktivitäten für mehr Qualität und Akzeptanz für die Produkte des Baustoffrecyclings unabhängig davon weiter aus. Moosleitner erklärte dazu: "Deshalb haben wir uns in Bayern dem neuen bundesweiten Qualitätssiegel „Qualitätssicherung Sekundärbaustoffe“ angeschlossen. Anwenderorientiert, mit Bau- und Umwelttechnischen Prüfkriterien versehen und Transparenz soll dieses neue Qualitätssiegel – anerkannt von den Bundes- und Landesministerien und -verwaltungen – privaten, gewerblichen und öffentlichen Bauherren eine einfache und sichere Anwendung von Sekundärbaustoffen ermöglichen und gewährleisten."
bvse-Referent Thomas Fischer, gleichzeitig auch Geschäftsführer der Qualitätssicherung Sekundärbaustoffe GmbH, die das neue Qualitätssiegel bundesweit vergibt, stellte das Konzept des neuen Qualitätssiegels vor. Fischer kündigte an, dass ab Herbst den ersten bayerischen Unternehmen das neue Qualitätssiegel verliehen werden kann.
Thema des Baustoff Recycling Forums waren aber auch konkrete Einblicke in die Praxis und die Innovationen der Branche. So stellten Markus Brutscher und Julian Baur von der Wilhelm Geiger GmbH & Co. KG, die MKW- und PFT-Bodenwaschanlage auf dem IN-Campus in Ingolstadt vor. Die Anlage befindet sich direkt neben dem Audi Sportpark und reinigt die dort vorhandenen belasteten Böden, sorgt für Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe (Sand und Kies) und für die Wiedernutzbarmachung eines insgesamt 75 ha großen Geländes.
Die Herstellung von rezyklierten Gesteinskörnungen für Beton war das Thema von Dipl.-Ing. Samir Abdelhabi von der Hochschule Augsburg. Er konzentrierte sich vor allem auf die Herstellung einer normgerechte Gesteinskörnung Typ 2 (ziegelreicher Betonzuschlag). Dabei ging er besonders auch auf das Thema der Qualitätssicherung ein. Er plädierte dafür, die Qualitätssicherung nicht als Prüfung am Ende der Produktion bzw. am Endprodukt zu begreifen. Zielführender sei es, dies als laufenden, die Produktion begleitenden Prozess anzusehen, um bereits während der Produktion korrigierend eingreifen und somit insbesondere gewünschte bautechnische Eigenschaften (z. B. Stoffliche Zusammensetzung, ausreizen der max. Anteile an Ziegelbruch) steuern zu können.
Einen interessanten Überblick über die technischen Möglichkeiten moderner Baustoffaufbereitung gab abschließend Prof. Dr. Ing. Anette Müller vom Institut für Angewandte Bauforschung Weimar gGmbH (IAB). Aufgrund der großen Spannbreite an Ausgangsstoffen ist die „eine“ Maschine für alles nicht möglich. Ihr Rat an die Baustoffrecyclingbranche ist deshalb, dass sie sich stärker auf die stoffspezifische Aufbereitung konzentrieren sollten. Nach ihrer Einschätzung sei es deshalb entscheidend in stoffspezifische Anlagen und, insbesondere bei der Sortierung, in neuere Technik zu investieren, damit die Unternehmen in der Lage seien, markt- und anforderungsgerechte Bauprodukte herzustellen.
München, 20.05.2019